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Ein Engel, der Obdachlosen Mut machen will

Ärztezeitung vom 31.10.2002

Die Berliner Ärztin Jenny De la Torre (links) verbindet einem Obdachlosen die verletzte Hand. Fotos: epd/npw

Was auf sie zukommen sollte, ahnte die Ärztin nicht. "Nach dem ersten Treffen mit Obdachlosen war ich entsetzt, in welch verwahrlostem Zustand diese Menschen auf der Straße leben müssen." Ihr erster Arbeitsplatz war ebenfalls abschreckend: ein fensterloser Raum in den Katakomben des Ostbahnhofs. Ganz unten, ganz hinten, so als schäme sich die Stadt für ihre Obdachlosen oder wolle diesen zeigen, daß sie an der Endstation angekommen sind.

Doch Jenny De la Torre ist trotz ihrer kleinen Statur niemand, der sich leicht abschrecken läßt. Und die Obdachlosen danken es ihr mit jedem Tag. "Es sind Menschen, die sich scheuen, eine normale Praxis aufzusuchen, und sich oftmals nicht mehr trauen, fremde Hilfe anzunehmen", hat sie erfahren.

Nach den vielen Jahren kostet die Arbeit auch keine Überwindung mehr. Überwindung, die etwa im Umgang mit alkoholisierten Patienten notwendig war. Dieses Problem kannte sie nicht und glaubte auch nicht, damit umgehen zu können. Doch dann nahm sie sich vor: "Du mußt die Menschen annehmen, wie sie sind. Sie haben sich dieses Leben schließlich nicht ausgesucht."

Mittlerweile hat Jenny De la Torre Erfahrungen gesammelt und sich auf die Besonderheiten ihrer Praxis eingestellt. Viele ihrer Patienten leiden an Grindflechte, Beinödemen und chronischer Bronchitis - typischen Erkrankungen des Straßenlebens.

Bei der Wahl der Therapieform muß sie sich überlegen, ob diese unter Straßenbedingungen durchführbar ist. Bäder oder Bettruhe fallen da aus, mitunter auch eine notwendige regelmäßige medikamentöse Therapie. Ein Verband muß in der Regel eine Woche halten, weil die Ärztin nie sicher sein kann, daß ihre Patienten wirklich am nächsten Tag zum Wechseln wiederkommen. "Ich muß flexibel sein und die Therapie sehr individuell festlegen." Diese richtet sich häufig nicht nur nach dem Krankheitszustand, sondern auch nach dem Willen der Patienten.

Obdachlose seien sehr empfindlich, wenn sie sich gedrängt oder bevormundet fühlen, so De la Torre. Die Ärztin erklärt dann geduldig, warum diese Wunde so aussieht oder warum sie nicht heilt. "Wenn meine Patienten das verstehen, machen sie auch mit." Meistens jedenfalls. Oft muß die Obdachlosen-Ärztin mit kleinen Tricks und mit Humor arbeiten. Etwa, wenn ein Obdachloser auch beim dritten Anlauf die besorgte Unterkunft angeblich nicht gefunden und lieber wieder im kalten S-Bahn-Wagen geschlafen hat. "Dann sage ich, dort schlafe ich heute auch, das muß ja toll sein. Darüber muß der Patient lachen, und er geht vielleicht zur Unterkunft oder nimmt mein Angebot an, eine Begleitung zu besorgen", erzählt De la Torre.

Die soziale Betreuung gehört für die Ärztin zur Arbeit dazu. Neben Fachlektüre steht daher eine dicke Sozialhilfe-Broschüre auf ihrem Schreibtisch. Sie ermuntert ihre Patienten, aktiv zu werden, sich um die Verbesserung ihrer Lage zu kümmern. Sie verhandelt mit Sozialämtern und vermittelt Termine.

De la Torre, die die Probleme ihrer Arbeit gedanklich mit nach Hause nimmt, "ohne an einem Helfer-Syndrom zu leiden", wie sie scherzhaft anmerkt, ist sich über die Grenzen ihres Wirkens im Klaren: "Fast alle Krankheiten kehren wieder, solange die Ursachen dafür nicht beseitigt sind. Die eigentliche Therapie müßte lauten: Weg von der Straße!"

Einen Wechsel in eine Klinik kann sich Jenny De la Torre trotzdem nicht mehr vorstellen. "Meine Arbeit hier kennt keine Grenzen", sagte sie. Und dann verweist sie auf den Namen der Trägerorganisation ihrer Praxis - MUT. "Genau das will ich: den Menschen Mut machen."

Dr. Jenny De la Torre

wurde 1954 in Peru geboren. 1976 erhielt sie für ihr Medizinstudium ein Stipendium in der DDR. 1982 absolvierte sie ihr Examen an der Universität Leipzig. 1989 folgte dann ihre Facharztausbildung an der Charité zur Kinderchirurgin und ihre Promotion am Klinikum Berlin-Buch. Danach war sie zunächst in der Rettungsstelle des Krankenhauses Prenzlauer Berg und kurzzeitig in Salzburg tätig.

Seit 1994 ist sie für die medizinische Versorgung der Obdachlosen in Berlin zuständig. 1997 wurde der Ärztin das Bundesverdienstkreuz verliehen, in diesem Jahr erhielt sie den Medienpreis "Goldene Henne". (npw)

Mitglied Bundesverband Deutscher Stiftungen Mitglied Paritätische Gesamtverband